12.01.2017Uhr
Wann bin ich für meinen Hund attraktiv
und was muss ich dafür tun?
Die humanpsychologische Bindungstheorie
Ihre Annahme: Menschen bedürfen enger Beziehungen zu Mitmenschen
Ihr Gegenstand: Entstehung und Veränderung enger Beziehungen im Laufe des Lebens
Ihre Basis: eine emotionale Sichtweise der frühen Mutter-Kind-Beziehung
Vier Bindungstypen unter den Kindern
Die sichere Bindung
Das Kind kann Nähe und Distanz der Bezugsperson angemessen regulieren. Feinfühligkeit der Mutter führt beim Kind zu einer großen Zuversicht in ihre Verfügbarkeit. Die Mutter nimmt kindliche Signale prompt wahr, interpretiert sie richtig und reagiert darauf angemessen. Das Kind erfährt keine starke Frustration. Es vertraut darauf, dass die Mutter es nicht im Stich lassen wird. Sie ist ein „sicherer Hafen“ und bietet Schutz.
Die unsicher-vermeidende Bindung
Das Kind zeigt eine Pseudounabhängigkeit von der Bezugsperson. Kontakt wird auffällig vermieden, es beschäftigt sich primär mit Spielzeug, um Stress zu kompensieren. Ihm fehlt die Zuversicht hinsichtlich der Verfügbarkeit seiner Mutter. Es geht davon aus, dass seine Wünsche auf Ablehnung stoßen und es nicht geliebt und unterstützt wird. Diese Kinder erfuhren häufig Zurückweisung. Sie können auf die Belastung bedrohlicher Situationen nur mit Meideverhalten reagieren.
Die unsicher-ambivalente Bindung
Diese Kinder sind ängstlich und von der Mutter sehr abhängig. Die Mutter zeigt hier selbst ein unzuverlässiges Bindungsverhalten und ist für das Kind damit nicht verständlich. Der Wechsel von Empathie und Abweisung macht das mütterliche Verhalten für das Kind schwer einschätzbar. Es ist gezwungen, ständig zu prüfen, in welcher Stimmung die Mutter gerade ist, um sich ihr anpassen zu können. Eine positive Erwartungshaltung aufzubauen, wird aufgrund der mangelnden emotionalen Verfügbarkeit der Mutter unmöglich.
Die desorganisierte Bindung
Das Kind zeigt unerwartete Verhaltensweisen, die nicht zuordenbar sind (Stereotypien, unvollständige oder nicht zu Ende geführte Bewegungsmuster). Die Mutter wird hier selbst als Bedrohung empfunden, was für das Kind eine ausweglose Situation bedeutet. Wenn sie z.B. - selbst traumatisiert – ängstlich auf das Kind wirkt und es die Quelle der Angst aber nicht verstehen kann, wird die Welt zu einem bedrohlichen Lebensraum, dessen Auswirkungen sich in der Mutter zeigen.
Mensch und Hund
Beziehung und Bindung
Beziehung: Zwei Lebewesen haben längere Zeit einen sozialen Kontakt zueinander und durch das gegenseitige Kennenlernen entsteht ein Muster von Verhaltensweisen, das für diese Beziehung typisch ist.
Beziehungsformen
Anführer-Gefolgschaftsbeziehung
Dominanzbeziehung
Bindung (die eine Beziehung ist, aber nicht per se umgekehrt!)
Kein Erwachsenwerden mehr
Merkmal der Domestikation: kein vollständiges Erwachsenwerden mehr; „Jugendlichkeit“ bleibt ewig erhalten (z.B. in Aussehen und Verhalten), lebenslanges Lernen, leichtere Führbarkeit, Tendenz zur andauernden Eltern-Kind-Bindung (endgültige Trennung von der Familie nicht vorgesehen)
Hormone, die an der Beziehungsentstehung beteiligt sind
Bindungs- und Vertrauenshormon Oxytocin: Anwesenheit des Beziehungspartners
erzeugt Wohlfühlatmosphäre (verbessert Lernfähigkeit, senkt Stress)
Partnerschutz- und Eifersuchtshormon Vasopressin: ermöglicht die individuelle
Erkennung des Beziehungspartners (Aussehen, Geruch, Stimme) und sorgt für einen
Schutz der entstehenden Beziehung (Vertreibung anderer „Bewerber“)
Selbstbelohnungshormon Dopamin: mit dem Beziehungspartner zusammen zu sein,
ist angenehm und freudvoll
Stresshormon Cortisol: verursacht leichtes Kribbeln im Bauch; zusammen mit
Dopamin erzeugt es eine ideale Lernatmosphäre
Kampfhormon Noradrenalin: nicht nur die Individualdistanz um den Partner, sondern
auch die Beziehung zu ihm wird verteidigt
Beziehung als Investition
Ein erhöhter Cortisolspiegel in der Entstehung der Beziehung verbraucht Energie. Oxytocin dämpft Stress, Leid wird erträglicher, der Bindungsartner als „Fels in der Brandung“ ist also eine konkrete „Lebensbewältigungshilfe“. Dieses Geben und Nehmen der beiden Partner hat etwas von einem Tauschhandel.
→ Wer viel bietet, kann viel einfordern! Und wer viel fordert, muss auch viel bieten! Das gilt auch für individuelle Eigenschaften der Beziehungspartner.
→ Ich muss als Bindungspartner die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, wenn ich möchte, dass mein Hund eine qualitativ hochwertige, stabile Bindung zu mir aufbaut! Und ein souveräner erwachsener Hund erwartet mehr von mir, als ein ängstlicher Welpe, wenn sich eine Beziehung entwickeln soll.
Eigenschaften des Beziehungspartners
Attraktivität: Führungskompetenz, Spassfaktor (Spiele, Begrüßungszeremonien,
lustbetonter Sozialkontakt), Ressourcenqualität, z.B. Revier, weniger Nahrung,
Angebot von Sicherheit, Herrschaftswissen (Vorkenntnisse)
Vertrautheit und Verlässlichkeit: große Chaoten können keine stabile Beziehung
„einhalten“, Vertrautheit braucht Zeit und entsteht (nur) durch Plan- und
Vorhersagbarkeit des Partnerverhaltens
gegenseitige Sympathie: Persönlichkeit spielt hinein; Sozialstatus, Mögen des Geruchs
…
Verfügbarkeit des Bindungspartners: Ausschließlichkeit der Beziehung: störende
Dritte werden ferngehalten; man möchte nicht teilen als Hund! In der Familie sollte
jeder eigene Merkmale in die Beziehung mit dem Hund einbringen, um „seine“
Beziehung zu haben – nicht andere versuchen nachzuahmen!
(„Alleinstellungsmerkmale“ bilden!)
Exklusivität
Die jeweilige Bindung ist nicht austauschbar, ebensowenig wie der Sozialpartner. Sonst ist es eine Beziehung und keine Bindung.
Merkmale einer Bindungen
Aufsuchen von Nähe (Blickkontakt, Kontaktliegen, gegenseitige soziale Körperpflege)
- von beiden Seiten ausgehend!
Reaktion auf Trennungen
Stabilität bieten (in meiner Gegenwart erkundet der Hund neugierig, schnuppert mehr
als ohne mich, ist forscher – orientiert sich nach außen)
Sicherheit bieten (Rückkehr in Krisensituationen, um soziale Unterstützung zu
erhalten oder in Kontakt zu sein)
Störungen in der Bindung
Bindung mit dem Merkmal der Distanzierung (Vermeidung, Unsicherheit enthalten):
Der Hund nimmt relativ wenig Bezug zum Halter, hält sich in größerem Abstand zu
ihm auf und ist von seiner Anwesenheit wenig beeindruckt; bei dessen Rückkehr
wenig oder gar keine Begrüßung
Bindung mit Ambivalenz (Unsicherheit enthalten): Hund klemmt am Halter,
Abwesenheit löst deutliche Trennungsreaktion aus, bei dessen Rückkehr Schwanken
zwischen starkem Annäherungsverhalten und Weglaufen, bis hin zur Aggression
(hierhin gehört die Variante „nicht genug kriegen können“)
Bindung mit dem Merkmal der Desorganisation: bei Trennung Stereotypien,
Zwangshandlungen (Zerstörung des Mobiliars), wenig geordnetes Verhalten (die
Verhaltensweisen passen kaum zusammen), permanente Verlustängste bzw. der
Mensch versucht seinen Hund ständig und übermäßig zu kontrollieren/ zu
beaufsichtigen
Die stabile Bindung: Hunde mit höchster Problemlösefähigkeit (im anderen Fall: mehr
auf den Menschen verlassen wollen); an Intelligenzspielen wird viel länger
herumprobiert; messbar die beste Krisenbewältigung
Das Phänomen Trennung
Die Trennungsreaktion gehört zum gesunden Bindungsverhalten. Fehlt sie, weist das auf eine mangelhafte Bindung hin.
Phasen der Trennungsreaktion (Stressreaktion auf das Verschwinden des Partners)
erste Phase = Protestphase: überall den Partner suchen, aktiv sein, durch Rufen und
u.U. Kratzen an der Türe die Kontaktaufnahme versuchen
zweite Phase = Depressionsphase (Zeitpunkt ist von der Persönlichkeit des Hundes
und seinen Erfahrungen abhängig): inaktiv, kaum fressen, kein Interesse an Spiel und
Aktivitäten, Rückzug; Gewichtsverlust, stumpfes Fell
Wenn die Bindung noch nicht richtig gefestigt ist, geraten Hunde schneller in die Depressionsphase. Der Aufbau einer stabilen Bindung dauert mindestens ein halbes Jahr.
Risiken für eine Trennungsstörung
Reaktionen, wie z.B. Unsauberkeit, Zerstörung oder Bewegungsstereotypien weisen auf eine Störung hin; genauso heftige Begrüßungen und mangelnde Abnahme an Aktivität während des Alleinseins. Desweiteren physische oder psychische Probleme zwischen der 8. und 14. Lebenswoche (z.B. Verletzungen, OPs, Infektionen, Impfprobleme, Trennungen von der Mutter u.a.). Wenn zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat alles gut geht (abwechslungsreiches, sozial gut strukturiertes Umfeld), soll eine weitgehende Immunität gegen Trennungsstörungen vorhanden sein. Rüden sind anfälliger als Hündinnen, Optimisten besser dran als Pessimisten. Trennungsängstliche neigen auch viel stärker als andere zu Geräusch- und Gewitterangst.