12.01.2017Uhr
Aggressives Verhalten bei Hunden – welchen Regeln folgt es?
Unter einem aggressiven Verhalten versteht man verschiedene Verhaltensweisen, die ein Individuum schädigen:
* direkt oder indirekt
* körperlich oder seelisch
Wesentliche Gründe für aggressives Verhalten sind:
* Darstellung eines sozialen Status
* Verteidigung desselben
* Verteidigung von Ressourcen (Futter, Ruheplätze, Fortpflanzungspartner)
Stammesgeschichtliche Gründe für die Entstehung aggressiven Verhaltens:
* Intra-Gilden-Aggression (Konkurrenz verschiedener Arten,
z.B. Wölfe und Füchse, im selben Lebensraum)
* Infantizid (zum Unterdrücken fremder Gene Tötung junger, fremder Nachkommen)
Beispiele für Motive von Aggressionen:
* zum eigenen Schutz (unmittelbarer Angriff, kein Imponieren, Erkunden)
* aus Wettbewerbsgründen: Konkurrieren um Ressourcen, wie z.B. Revier oder
Sozialpartner (langsame Eskalation, ausführliches Signalisieren)
Modelle der evolutionären Spieltheorie, die für Hunde bedeutsame Kriterien in aggressiven Auseinandersetzungen beschreiben:
Falke-Taube-Spiel
Verhalten auf zwei verschiedene Weisen möglich:
* friedfertig, rückzugsbereit (assoziiert mit „Taube“) - lieber den Kampf verlieren
als das Leben …
* aggressiv, sofort und rücksichtslos angreifen („Falke“) - das Leben riskieren
Vorhersagen über differenzierte Kampfstrategien sind hiermit aber nicht möglich.
Modell des Nervenkriegs
* lange, intensive Imponierduelle
* echter Kampf ergibt sich nicht unbedingt
* großer Energieaufwand für verschiedene Verhaltensweisen
* entscheidend: Wer hält länger durch? - abhängig von Durchsetzungsvermögen,
Standfestigkeit, Ressourcenkenntnis ...
* bis zum Zeitpunkt des Aufgebens muss mit voller Kraft signalisiert werden,
damit dem Gegner die wirkliche Stärke unklar bleibt
* derjenige gewinnt, der den größten Einsatz an Fitness aufbringt (und damit den größten Verlust an Fitness hat), denn wer das nicht mehr tragen kann, gibt auf
Besitzer-gewinnt-Modell
Bei Gleichheit in Durchsetzungsvermögen, Standfestigkeit, Kenntnis der Ressourcen ist die Eskalationsbereitschaft bei demjenigen größer, der die Ressource besitzt, der schon etwas hat. Der Verlust wäre für ihn größer als für den anderen, der nichts hat. Deshalb ist bei ihm nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Eskalierens größer, sondern auch jene zu gewinnen.
Größenspiel
Auch bei Hunden gilt: Je größer, desto älter und erfahrener ist ein Individuum und damit umso stärker. Das Falke-Taube-Modell erweitert sich hier im Sinne von: Eskaliere als Falke, wenn du größer bist; sei aber Taube, wenn du kleiner bist!
Sequenzabschätzungsspiel
Entsteht tatsächlich ein Kampf, geht es zunächst darum, die eigene Stärke zu signalisieren, indem auf Stufe 1 unschädlich agiert wird. Können die Kontrahenten so noch nicht erkennen, wer mehr Stehvermögen, Durchsetzungsfähigkeit usw. hat, wird schrittweise durch zunächst mehr Wiederholungen bekannter Kampfelemente eskaliert: Der Gegner weiß nun, wie der andere nach unten drücken kann, wie heftig er aber zubeißt, weiß er noch nicht. Typischerweise werden neu auftretende Kampfelemente längere Zeit von beiden wiederholt (z.B. Knurren oder Rempeln). Ein Abbruch des Kampfes erfolgt meist dann, wenn ein neues Element auf einer weiteren Eskalationsstufe eingeführt wurde. Entweder ist derjenige überlegen, der den Gegner mit einem oder mehreren neuen Kampfelementen zum Aufgeben zwingen konnte oder es entsteht ein in der Regel kurzer, unritualisierter „Beschädigungskampf“.
Wie du mir, so ich dir
Auch dies ist eine Erweiterung des Falke-Taube-Modells: Sei Taube, wenn der andere nicht eskaliert; eskaliere aber, wenn der andere damit anfängt. Diese Strategie kann zur abgestuften Eskalation führen (Sequenzabschätzungsmodell).
Einige Gründe für das Entstehen von Verletzungen unter Hunden:
* Angriffshemmung im Drohen durchbrechen Hunde leichter als Wölfe
* große individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Hunderassen
* ausgeprägtes Selbstbewusstsein
* fehlende oder unzureichende Sozialisierung an Artgenossen
* unklares Leben in Menschenfamilie
* Kommunikationsschwierigkeiten
* „unnatürliche“, Fluktuationen unterworfene Hundegruppen